Donnerstag, 22. Dezember 2011

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Im ewigen Eis, umrahmt von Schnee, Geröll und noch mal Schnee, laufen die Sinne leer. Kein Halt, keine Orientierung, keine soziale Kartografie. Und doch soll’s ausgerechnet hier ganz präzise zugehen. Polarstationen vermessen an unwirtlichen Orten Raum, Zeit und Klima. Zugleich sind sie soziale Laboratorien, in denen Menschen unterschiedlicher Profession auf engstem Raume leben und arbeiten. Leben? Innere wie äußere Uhr, Nähe wie Weite gehorchen anderen Maßeinheiten, hell und dunkel haben’s gerne statisch, drinnen und draußen kennen keine Mitte. Alles will neu justiert, den Gegebenheiten angepasst, in reduziertem Komfort gelebt und Sprache und Gesten - bei internationaler Besetzung - reduziert, auf die ortsübliche Temperatur gebracht werden. Wie das geht, zeigt uns Christoph Marthaler. Über viele kleine Episoden und szenische Arrangements, mit Ruhe und Bedacht inszeniert, Text und Musik kunstvoll ineinander verwoben, führt er in’s subpolare Basislager. Elegisch, berückend, zum Brüllen komisch, spielerisch, assoziativ, sprunghaft, in Suchbewegungen und unter Einsatz disparaten Kulturgutes. Bei karger Ausstattung. Dass das ganz prima klappt, die kalte Luft nicht den Atem raubt, liegt an dem verschwenderischen Umgang mit Einfällen und Vorschlägen. Die greifen in’s eigene, innere Band und wärmen Herz und Seele. Wie sie das tun? Die Bilder klingen und der Klang bildet. Berührend sind etwa die ganz leisen und sachten Übergänge, wenn Stille in mehrstimmigen Satz- und Chorgesang übergeht. Ein schöneres Bild kann man wohl kaum finden: Kooperation, wo auch immer auf Erden, setzt, bei aller Vielstimmigkeit und widrigsten Umständen, das „Aufeinandereinstimmen“ voraus. Wo nicht, bleibt nur Natur. Wer will das schon? Also raus, Neugierige und Reisefreudige. Vom 28.02. – 02.03.2012 kann das Basislager wieder bezogen werden. In der Volksbühne.

1 Kommentar:

  1. Beeindruckend! Montage/Foto passt sehr schön zum Text. Bin gerne auf deiner Seite.
    Du hast einen eigenen/eigenwilligen Stil, der einzigartig ist und sich vom allgemeinen Trivialen deutlich abhebt. Das macht die Seite so schön. Da kann man viel von lernen.

    Viele Grüße und schöne Feiertage wünscht jo (cebrillus)

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