Samstag, 25. Juni 2011

120 Stunden später




Geradezu inflationär. War es. Kein Luxus. Das Angebot. Kunst am Wege, Kunst im Keller, Kunst im Grünen, Kunst auf dem Asphalt, Kunst im Baum, Kunst im Wohnzimmer, Kunst am Mensch. Auf’s Auge, an die Hand, in’s Ohr. Kunst, die glänzt, reflektiert, blendet, berührt, an- und abstößt, anzieht, nervt, zupackt, hilflos wirkt, strukturiert, orientiert, zerfällt. Groß, klein, ambitioniert, beiläufig, traditionell, ausufernd, übergreifend, anmaßend, belanglos, zurückgenommen, schrill. Blicke in zahllose Werkstätten, Aufführungsorte und Wohnateliers, Kellergelasse und Amtsräume. Künstlerisches Schaffen verband sich mal zwanglos und nebenbei mit Ort und Raum, mal mußten Phantasie und guter Wille der Besucherinnen und Zuschauer die Zusammenhänge herstellen. Ein Genuß für alle, die sich treiben lassen wollten und mit Neugier und Offenheit mitnahmen, was am „Wegesrand“ inszeniert, gearbeitet, aufgebaut und ausgestellt wurde. Eine Zumutung für alle, die „den Hype“ suchten und von einem Event zum nächsten stolperten. Sie trafen in Massen - so im Gefängnistrakt des Amtsgerichts - auf Ihresgleichen und versperrten sich gegenseitig die Sicht auf Objekte und Installationen. Immerhin, man war da. Geredet wurde vermutlich auch. Nicht zu übersehen und in den Vorjahren nicht anders: An der „Normalbevölkerung“ geht das Festival vorbei. Besucherscharen aus Fern und Nah bevölkerten die Straßen, mit deutlicher Schlagseite bei der Gruppe der 20-35jährigen. Das ist nicht schlimm, sollte aber Anlaß sein, Ansprüche zu überdenken. Hier geht wenig in die Tiefe, die viel beschworenen Wirkungen auf Geist, Wohl und Wehe, gar Entwicklung von Quartier und Bezirk, so sehr sie verständlicherweise Teil des Marketing und der Veranstaltungsphilosophie sind, lassen sich ernsthaft nicht ausmachen. So wenig daher die Frage der Veranstalterinnen der „48-Stunden-Neukölln“: „Ist Kunst Luxus?“ Sinn ergibt, da dies ernsthaft niemand (mehr) behauptet, so unangemessen wirkt der Versuch, mit dem Hinweis, das Festival finde „in einem der sozial schwächsten Gebiete Berlins“ statt, eine „Rendite“ einfahren zu wollen dafür, dass man - so kann man es lesen - „eine Wüste“ urbar gemacht habe. Diese Instrumentalisierung von Lebenslage und Situation der Wohnbevölkerung in Neukölln für eigene Belange läuft den selbstformulierten Ansprüchen zuwider. Kunst und Kultur mögen „Flurbegradiger“ bei der Aufwertung von Quartieren sein. Nutznießer sind sie bzw. Künstlerinnen und Künstler eher selten. Der legitime Wunsch nach stärkerer Anerkennung und besserer Förderung von Kunst und Kultur, will er nicht selbstbezüglich bleiben, muß deutlich politisch formuliert und adressiert werden. Mit anderen Worten: Verbesserungen in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Bildung und Kultur werden, gegebenenfalls in Koalition mit so uncoolen Organisationen wie Parteien und Gewerkschaften, erstritten. Sonst bleibt's am Ende - in frommer Bescheidenheit - bloß ein Traum: „Jeder, der will, hat Arbeit – und kann davon leben. Auf EINEM Arbeitsmarkt.“


1 Kommentar:

  1. Hallo,
    ein toller Blog, sehr informativ. Da ich mich ein wenig für Kunst interessiere, genau der richtige Blog für mich ;)

    schönen Tag noch...

    Mary

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