Donnerstag, 28. April 2011

Vater is' mal wech


Kalte Küche. Trockenessen. Ein Heim ohne Herd. Das Tischritual, längst brüchig, artet regelmäßig aus in zusammenhangloses, konkurrentes Gerede. Der Alltag, die Arbeitswelt, scheinen durch in Form der Produkt- und Werbewelt, als Stimmengewirr und Klangtapete. Nicht geeignet, Beziehungen zu knüpfen, die über bloße Geschäftigkeit und egomanische Visionen hinausgehen. Eine aus den Fugen geratene Welt, in der Penelope, eingekesselt zwischen fürsorglicher Bemutterung und Abstoßung des Sohnes und den aufdringlichen Freiern, die sich im Hause festgesetzt haben, „Pirouetten“ - sprechend, singend, liegend - in den Raum läuft. Dann kommt er endlich zurück. Odysseus. Nach langem Ausflug in ferne Länder, Krieg und Abenteuer. Matt, erschöpft, unsicher fragt er nur noch nach: Kannst du dich wieder an mich gewöhnen? Penelope willigt - wir staunen, denken aber an die vielen Frauen, die nach '18 und '45 mit derselben Frage konfrontiert waren - ein. Sie schließt das System, dass so lange nicht funktioniert hat. Und hatte doch immer wieder insistiert, dass eigentlich ihre Geschichte hätte geschrieben werden müssen. 20 lange Jahre des Wartens, des Haderns, des Hoffens, der Versuchung, der Arbeit. Wunderbar gespielt und gesungen, mit kleinem Orchester - Gitarre, Klavier, Geige - in Szene gesetzt, kommt diese Oper von Monteverdi mit Texten von Homer, Badoardo, Peter Esterhazy in der Regie von David Marton in der Schaubühne im Hier und Heute an. Schon da, ist die siebzehnjährige Ree. Sie versorgt ihre kleineren Geschwister und ihre kranke Mutter. Tiefste Provinz. USA. Ärmliche Verhältnisse. Kein Odysseus ist abhanden gekommen. Nur der Vater. Für die Haftkaution hat er Haus und Hof verpfändet. Und ist verschwunden. Ree muß es reißen oder alles ist verloren. Wie sie das macht? Mit ganzer Kraft. Unprätentiös, direkt, hautnah an den Personen, genau in der Beobachtung, folgt „Winters Bone“ ihrer Odyssee. Ein Lehrstück für Bildungsbürgerinnen und Bildungsbürger. Die glauben, dass sie auf Empathie, Beharrlichkeit, Solidarität, Fürsorge und kluges Handeln in schwierigen Situationen ein Patent besitzen. Nichts ist weniger wahr. Was beide Projekte verbindet? Na, Karten kaufen! Besseres zum Thema gibt’s zur Zeit nicht zu sehen. Nicht vergessen: Familie mitnehmen!

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