Dienstag, 12. Januar 2010

Johanna macht's


Eine anregende Inszenierung. Würde man heute sagen. Alles drin. Schöne Bilder, aufgeräumte und szenisch angemessen gestaltete Bühne. Da dreht’s mal, mal brennt’s, mal schneit’s. Die Videowände ausgefahren, Bilder im steten Wechsel mit dem Bühnengeschehen, eine Kleinstband, hübsch links und rechts der Bühne in plüschig-rotes Licht getaucht. Die klöppelt unaufdringlich, klaviert den einen oder anderen Song herbei und untermalt musikalisch, wo immer erforderlich. Den Rest besorgt und bespricht der Chor. Die Kostüme - weiß im Grundton, wie bei Weißwäschern zu erwarten - rücken die Darsteller in’s Niemandsland. Da, wo Nachricht von Werbung, Theater von Realität, Welt von Vorstellung und Wunsch von Wirklichkeit nicht zu unterscheiden ist. Die Heilsarmee - in Gestalt von Johanna - kommt uns im Glitzergewand, rückenfrei. Tombola, Wohltätigkeitsschmus und Armenpflege auf Stöckelschuhen. Die Bühnenmannschaft pflegt mit vielen kleinen und großen Ideen die Textlandschaft mal rau, mal spielerisch, witzig bis meisterlich. Rund, das ganze. Da hat einer sein Handwerk gelernt. Geguckt, was die anderen so treiben. Auf Deutschlands Bühnen. Das macht er gut. Nicolas Stemann. Unterhaltsam. Was ja nicht das schlechteste ist. Im Theater. Wie geht’s dem Thema dabei? Na ja. Alles kommt vor, was uns den Brecht so lieb macht. Die Moral der kleinen wie der großen Leute. Die wie geschmiert funktionierenden Hochs und Tiefs von Börsennotierungen, Rohstoffpreisen und Spekulation, die immer wieder die gleichen Verlierer sehen: Die, die arbeiten. Sie zahlen. Mit Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger. Erinnert alles ein bisschen an heute, oder? Unsere Johanna stapft - Idealistin, gottesfürchtig und an das Gute im Menschen glaubend - von Niederlage zu Niederlage. Ist halt immer schon da, das Kapital. Sehend, dass der Macht nur noch mit Gewalt beizukommen ist, findet sie „ihr Ende“ schließlich in der Heiligsprechung. Revolte und Veränderungen sind wieder mal vertagt. Müssen wir’s halt richten! Doch so einfach ist es nicht. Auch das zeigt uns Stemann. Mit einem Taschenspielertrick. Eine digitale Anzeige tickt. Großformatig auf der Bühne. Unerbittlich. Weiter und weiter. Über tausend Menschen, dies zeigt sie an, werden an Hunger gestorben sein, noch bevor die Aufführung endet. Diese Aufführung, wohlgemerkt. Steht jemand auf und geht? Niemand. Erschallt ein Ruf: Auf zu den Waffen, Schwestern und Brüder? War zumindest nicht zu vernehmen. Hartgesotten. Sind wir. Gestählt im Einvernehmen, in der Hinnahme dessen, was ist. Da haben wir uns, wir Gutgläubigen, doch glatt zu Komplizen machen lassen! Hingehen und aushalten.

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