Mittwoch, 30. Dezember 2009

Neuköllner Kaufhaus


Ohne Karstadt ist er natürlich 'nischt. Der Hermannplatz. Nur Passage. Karstadt zieht und hält Geld, Arbeit und Leute am Platz. Schon die Baumasse bestimmt Karstadt zum ‚Platzhaus’. Einst größtes Kaufhaus Europas, hat der Glanz vergangener Zeiten in den letzten Jahren arg gelitten. Die kleinen Gauner am Platz kennen und respektieren die Ökonomie des Alltags. Sie leben davon. Die großen Gauner - der Herr Middelhoff etwa - nehmen ganz anders Maß. In schwindelerregender Höhe spielen sie - wie im Fall von Karstadt und Quelle - mit Gütern, Existenzen, Standorten. Lokal ist ihnen schnuppe. Distanz schützt vor Mitgefühl. Den Rest erledigen Bilanzen. Die sind, wie wir wissen, geduldig und gestaltbar. „Wir haben mit der Lupe nach der Substanz in diesem Unternehmen gesucht, aber wir haben nichts Nennenswertes gefunden." Das sagt der Insolvenzverwalter. Zum Glück steht das Gebäude noch! Wie auch immer. Wir haben in Deutschland bisher keinen Begriff und kein Gefühl für Zusammenhänge, Netzwerke und Personen entwickelt, die ähnliches in’s Werk setzen, wie das, was die Italiener Mafia nennen. Der größtmögliche Nutzen für einige Wenige zu Lasten der Allgemeinheit. Die Substanz im eigenen Interesse vergolden, den Rest in den Orkus. So das Wirtschaftsmodell. Klingt ein bisschen nach FDP. T'schuldigung. Auch der Justiz fehlt das Sensorium, da schlägt nicht's aus. Ganz anders, wenn es um die 'Taten' von Arbeitnehmerinnen geht, denen der Verzehr eines für den Abfall bestimmten Lebensmittel zur Kündigung gereicht. Die 'Ästhetik des Ungefähren' ist eine spannende Sache. Spannender wäre - liebe Neuköllner Studentinnen und Studenten - wenn ihr einen Antrag auf EU-Mittel für eine Studie stellt, die dem Zusammenhang von Netzwerkmanagement, Unternehmensverflechtung, Banken und Wirtschaftskriminalität in Auswirkung auf lokale Arbeits- und Lebensverhältnisse nachgeht. Ich helfe.

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