Montag, 13. April 2009

Orestie


Keine Bühne. Kein Raum. Keine Tiefe. Da kann sich nichts und niemand verlieren. Alles bleibt schmerzhaft präsent, dicht - die Leiche Agamemnons eingeschlossen. Sperrholzplatten schirmen den Bühnenraum ab, unbearbeitet, übersät von roten Flecken. Blut, viel Blut wird auch an diesem Abend vor eben dieser Wand vergossen. Aischylos erzählt in der "Orestie" die Geschichte der Atriden, zugleich Mythos und Familiengeschichte. Agamemnon, siegreicher Anführer der Griechen im Feldzug gegen Troja, opfert seine Tochter Iphigenie. Die Mutter Klytaimnestra und ihr Liebhaber Aigisth ermorden den rückkehrenden Agamemnon und dessen Geliebte Kassandra. Der Sohn Orestes und seine Schwester Elektra, angetrieben von Apollon, sinnen auf Rache und töten Aigisth und Klytaimnestra. Der Austritt aus der ewig wiederkehrenden Folge von Mord, Rache, Schuld, Eifersucht und Raserei gelingt schließlich mit Hilfe Athenes. Der Vollzug ist ausgesetzt, aus Schicksal wird Handlung. Geschichte. Von Menschen gemacht. Kein Spiel, wie so oft bei Thalheimer. Für Spiel bleibt kein Platz. Auf- und Abgänge, höhenversetzt, nicht mehr. Das muß reichen. Das Vertrauen liegt ganz auf der Sprache. Fast. Der Chor, entrückt, oberhalb des Publikums im ersten Rang platziert, dräuelt, flüstert, ruft, brüllt zuweilen und ist stetig Widerpart, Kommentator und Mahner. Alle anderen bringen ihren Körper ins Spiel. Leiblichkeit. Verletzbarkeit. Natur. Wo der fehlende Raum den Platz für all die Getriebenheit nicht hergibt, „beben“ die Körper, bieten nurmehr „Laut-Ausbrüche“ die Chance, dem Wahnsinn zu widerstehen. Rückwärtig ist nichts zu holen, nach vorne, ins Publikum wird gesprochen. Wir nehmen’s mit. „Leiden, Lernen, Tun“. Aktuell? Solange die Welt ist, wie sie ist. Ja.

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