Sonntag, 8. März 2009

Faustisch


Immer mal wieder steht „Faust“, in der Inszenierung von Thalheimer, auf dem Programm des Deutschen Theaters. „Sprechtheater“, klamaukfreie Zone. Ganz auf die Konzentration der Zuschauer setzend, dabei nicht ohne Spaß. Spaß an der Sprache, am Dialog, im Glauben daran, dass dem Text „nichts und niemand“ etwas anhaben kann. Sparsamste Bewegungen, karge Bühne, die kongenial das „Geschehen“ rahmt, Rezitation auf hohem Niveau. Mit Witz und Verve geht das Ensemble zur Sache, gibt sprachlich Tempo, wo immer nötig und dosiert stimmliche Intensität und Wortklang, wenn Lamentieren und Klagen, Überschwang und stiller Monolog es erfordern. Die Studierstube, schwarz in schwarz, lässt nur im Hintergrund ahnen, das sich „da draußen etwas bewegt“. Sie öffnet sich schließlich, um Raum im Raum, ja Weite anzudeuten, enthält aber nicht mehr als ein Bett. Sinnbild für das Begehren, das, einmal in die Welt gesetzt, im sittlich verfassten Kodex mit Faust's "Weltendrang“ kollidiert.
Thalheimer entscheidet sich früh für (s)eine Interpretation. Mephisto betritt die Bühne, „verschmilzt“ zu einer Figur mit Faust. Ein schönes Bild. Nichts anderes kann Faust mehr tun, als sich zu entzweien. Fortan ist er mit sich selber im Gespräch. Ein innerer als äußerer Dialog. Selbstreflexiv und zerrissen, drängend und doch dem stillen Glück im Winkel verhaftet, fordernd und fürchtend, dem Spiel mit allem, dem Verwerflichen zumal, zugetan, entgrenzend im „Wissen-Wollen“ und zugleich zaghaft im Handeln. Volksmythen, Romantik, Aufklärung und Wissenschaft, Religion, Sittengemälde und Kabarett. Goethe quirlt und schüttelt im Faust, was an sozialen, moralischen und religiösen Paradoxien wie ein untergründig anschwellendes tektonisches Beben auf das Ende der einen und den Beginn einer neuen Zeit drängt. Eine Art Geburtsstunde, der wir hier beiwohnen. Keine Blaupause, um der Ratlosigkeit, die heute allenthalben herrscht, beizukommen. Aber eine Aufforderung, den Verstand ins Recht zu setzen und - alle „menschlichen“ Untiefen auslotend - Bilanz zu ziehen. Anschauen und zuhören.

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